Das Angst- und Fluchtverhalten der Katharinasittiche ist ziemlich ungewöhnlich.
Bemerken sie etwas Ungewohntes in ihrer Umgebung, zum Beispiel fremde Geräusche oder visuelle Reize, so erstarren Katharinasittiche sofort. Gerade ausgeführte Tätigkeiten werden unterbrochen, Lautäußerungen eingestellt und jegliche Bewegung vermieden. Dabei wird das Gefieder eng angelegt und die volle Aufmerksamkeit auf die Störung fokussiert. Die Sitzposition ist waagerecht bis leicht nach vornüber gebeugt.

Bleibt die Störung bestehen, so geben die Katharinasittiche nach einiger Zeit leise, fiepende Geräusche von sich, die stark dem Lockruf des Männchens und dem zarten Paarkontaktruf ähneln. Es wird nun versucht, ganz langsam der möglichen Gefahr zu entkommen, indem der Standort durch Laufen oder Klettern gewechselt wird. Das Ziel ist, die Quelle der Störung ausfindig zu machen. Ist sie entdeckt, so wird sie aufmerksam beobachtet und niemals aus den Augen gelassen. Nur wenn sich die Katharinasittiche dann nach einiger Zeit noch immer bedroht fühlen, laufen oder fliegen sie weg. Aber sie sind dabei immer ruhig.

Erschrecken

Tritt die Störung auf, wenn die Katharinasittiche dösen oder schlafen, so senken sie sofort den Kopf unter Körperniveau. Erlaubt es ihr Standort, wird sogar eine Kopf-über-Position eingenommen. Dabei wird wie oben beschrieben die Quelle der Störung anvisiert. Der Körper steht unter enormer Spannung. Oft wird zusätzlich als Zeichen der Angst oder Unsicherheit der Schwanz gefächert. Alle Schwanzfedern werden weit gespreizt, wieder zusammengezogen und erneut gespreizt. Dies wird einige Male wiederholt. Gleichzeitig wird auch die Pupille verengt und wieder erweitert. Auch hier hängt die weitere Entwicklung der Situation von Verbleib oder Entfernung der Störung ab.

Fühlen sich die Katharinasittiche weiterhin bedroht, so fliegen sie weg. Verschwindet die Störung oder gewöhnen die Vögel sich an sie (wie etwa ein neuer Gegenstand im Käfig), so beruhigen sie sich schnell wieder, plappern zunächst noch ein bisschen aufgeregt vor sich hin, um anschließend wieder einzunicken.

Flucht

Interessant ist, dass die Fluchtdistanz des Katharinasittichs recht niedrig ist. So kann man sich auch neu erworbenen und nicht-zahmen Katharinasittichen in der Regel problemlos auf weniger als einen Meter nähern, ohne dass die Tiere panisch im Käfig herumflattern. Natürlich darf sich der Sittich zu keiner Zeit in die Ecke gedrängt fühlen.

Ganz anders verläuft nämlich so eine Situation, wenn sich der Katharinasittich erschreckt oder akut bedroht fühlt. Dann fliegt er planlos unter lautem Geschrei los. So eine Panikattacke ist gefährlich; denn selbst wenn der Katharinasittich sich in seiner gewohnten Umgebung befindet, fliegt er mit voller Wucht gegen Hindernisse, Fenster und Wände. In einer Voliere endet seine Flucht meist an dem Gitter. Aufgrund der Geschwindigkeit, mit welcher der Katharinasittich losstürzt, kann es zu schlimmen Verletzungen bis hin zum Tode durch Genickbruch kommen.
Daher ist es ratsam, sich den Vögeln immer vorsichtig zu nähern und sie frühzeitig anzusprechen. Haben sie ihren Betreuer gesehen und erkannt, gibt es keine Probleme. Gut ist auch, wenn sich die Katharinasittiche immer in oder über Augenhöhe des sich nähernden Menschen befinden. Das kommt dem Sicherheitsempfinden der Tiere entgegen und verschafft ihnen den nötigen Überblick.

In Außenvolieren lösen Angriffe von Greifvögeln derartige Panikattacken aus, die dann leider oftmals tödlich für die Sittiche enden. Hier hilft es, die Voliere geschützt durch Bäume oder Sträucher zu platzieren, so dass Greifvögel keine direkte Anflugmöglichkeit haben.

Die niedrige Fluchtdistanz ist jedoch kein Zeichen von Vertrautheit oder Zahmheit. Nicht-zahme Vögel fliegen bei Unterschreitung der Fluchtdistanz panisch davon, die Gefahr einer Verletzung ist groß. Das Vertrauen seiner Sittiche muss man sich wie bei anderen Papageien erst erarbeiten.

Theorien zum Fluchtverhalten der Katharinasittiche gibt es etliche:
  • Das Fächern der Schwanzfedern imitiert das Spiel von Licht und Schatten im Blättergewirr. Der Vogel verschmilzt dadurch noch besser mit seiner Umgebung. Dadurch, dass der Vogelkörper ansonsten erstarrt ist und kein Ton den Sittich verrät, wird der Katharinasittich im Baumwipfel fast unsichtbar für mögliche Fressfeinde.
  • Meist wird der Gefahr die Körperunterseite zugewandt, besonders in der Kopf-über-Position. Dadurch kann der Katharinasittich schnell fliehen, indem er sich zunächst einfach fallen lässt und dann zügig in die Gegenrichtung der drohenden Gefahr fliegt.
  • Wird jedoch der Rücken zugewandt, so ergibt sich dem Betrachter aufgrund der Gefiederzeichnung die Illusion eines Schlangenkopfes. Das Verbreitungsgebiet des Katharinasittichs überschneidet sich mit dem der Grünen Hundskopfboa oder Smaragdboa (Emerald Tree Boa, Corallus caninus). Dieser Bewohner tropischer Regenwälder Südamerikas (Peru, Ecuador und Brasilien) lebt und wirkt in den Wipfeln der Bäume. Als Jäger von Vögeln aber auch kleiner Säugetiere, welche unter Umständen für den Katharinasittich gefährlich werden könnten, sollte diese Schlange Abschreckung genug bieten: ein Beispiel für Mimikry in Perfektion.

Katharinasittich und Hundskopfboa – noch gut zu unterscheiden, …

… im dichten Blätterwerk jedoch macht ein flüchtiger Blick die Täuschung perfekt

  • Die niedrige Fluchtdistanz lässt sich ebenfalls mit der guten Tarnung des Katharinasittichs im Blätterdach eines Baumes erklären. Unter normalen Umständen ist eine Flucht für ihn nicht notwendig, da er zunächst einmal entdeckt werden muss. Der Vogel kauert sich dann auf einen Ast, erstarrt in seinen Bewegungen und wartet beobachtend ab. Erst wenn die Tarnung aufgeflogen ist, flüchtet der Katharinasittich. Bei der Flucht stürzen alle Mitglieder eines Schwarmes in unterschiedliche Richtungen, anders als beim morgendlichen Flug, wo mehr oder weniger im Schwarmverband, jedoch zumindest paarweise, die Runden gedreht werden.
    Dadurch soll der Angreifer irritiert werden. Meist konzentriert sich ein Räuber auf ein bestimmtes Tier. Diese Fokussierung wird im allgemeinen Chaos der Flucht enorm erschwert. Diese kopflose, in Gefangenschaft sinnlos erscheinende, unfallträchtige Flucht hat also in freier Wildbahn durchaus einen Sinn und sichert das Überleben der Vögel.
    Der Katharinasittich scheint bei der Flucht also nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ zu handeln.